Die Abkürzung ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, die als eine der häufigsten psychatrischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen gilt. Bei ADHS handelt es sich um ein situationsübergreifendes Muster von Auffälligkeiten, das meist in drei Verhaltensbereichen (sogenannte Kernsymptome) auftritt:
- Unaufmerksamkeit: eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, eingeschränkte Daueraufmerksamkeit, erhöhte Ablenkbarkeit
- Hyperaktivität: allgemeine grob- und feinmotorische Unruhe; übersteigerter Bewegungsdrang
- Impulsivität: mangelnde kognitive/emotionale Impulskontrolle; unüberlegtes Handel.
Um die Kriterien einer ADHS zu erfüllen, müssen die Auffälligkeiten außerdem:
- über das hinausgehen, was durch Alter und Entwicklungsstand des Betroffenen erklärbar wäre;
- eine bedeutsame psychosoziale Beeinträchtigung in mehr als einem Lebensbereich (z.B. in der Familie und in der Schule oder am Arbeitsplatz) verursachen;
- schon im Vorschulalter beobachtbar gewesen sein
- länger als 6 Monate bestehen.
Somit hat nicht jedes Kind/jeder Erwachsener, der unruhig oder unaufmerksam ist, ADHS.
Ursachen für ADHS
Die Ursachen und Entstehungsbedingungen der ADHS sind noch nicht vollständig geklärt. Es gilt aber als sicher, dass das Störungsbild nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen ist, sondern dass mehrere Komponenten an der Verursachung beteiligt sind. In einem allgemeinen biopsychosozialen Modell lassen sich drei Hauptfaktoren unterscheiden:
- Genetische Faktoren spielen vermutlich die größte Rolle bei der Entstehung der Störung.
- Erworbene biologische Faktoren, z.B. durch Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt können einen Einfluss haben.
- Ungünstige psychosoziale Bedingungen können die Symptomatik vermutlich verschärfen.
Diese Faktoren stoßen cerebrale Prozesse auf der neurobiologischen und der neuropsychologischen Ebene an, die schließlich die ADHS-Symptomatik auslösen, welche eine Zunahme an negativen Interaktionen mit Bezugspersonen bewirken, die ihrerseits wiederum eine Verschärfung der Symptomatik bewirken können. Mit der ADHS einhergehen können andere Störungen oder Probleme. Diese sind vermutlich häufig Folge dieser Prozesse, sie können aber auch durch andere genetische Faktoren, erworbene biologische Faktoren oder Umweltfaktoren verursacht werden. Die Rolle von Ernährung ist nicht geklärt, sie scheint aber eher gering zu sein.
Die Forschung geht davon aus, dass ADHS-Symptome auf der Basis einer biologischen Vorbelastung entstehen. Vor allem genetische Faktoren, aber auch Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt können zur Entwicklung solcher Auffälligkeiten beitragen. Familiäre und auch schulische Bedingungen können aber die Ausprägung der Problematik und deren Verlauf wesentlich beeinflussen. Unter günstigen psychosozialen Bedingungen wird sich die Problematik deutlich schwächer ausprägen.
ADHS beginnt immer im Vorschulalter und wird in der Regel spätestens im Einschulungsalter erkannt. Die Störung kann bis in das Erwachsenenalter hinein persistieren und auch bei Erwachsenen noch erhebliche Einschränkungen in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit und ihren zwischenmenschlichen Beziehungen hervorrufen und mit verschiedenen Gesundheitsrisiken (z.B. erhöhte Unfallgefahr) behaftet sein.
Die ADHS-Symptomatik kann typischerweise im Kindergartenalter erkannt werden, wobei bereits im Säuglingsalter eher unspezifische Merkmale von Regulationsstörungen oder auch schon deutlich erhöhter Unruhe gehäuft vorkommen.
ADHS Symptome in der Schule
Die Symptome der ADHS zeigen sich im Rahmen der Schule mit Sicherheit nicht in jedem Kontext. Sie sind durchaus situationsabhängig und treten vor allem bei Aufgaben auf, die viel Routine und Wiederholungscharakter haben. Auch zeigen sich ADHS-Symptome vor allem dann, wenn Selbstständigkeit bei der Arbeit gefordert wird. Schüler mit ADHS sind häufig überfordert, wenn ihnen zu viele Freiräume gegeben werden, da sie ihre Aufmerksamkeit nicht zentrieren können und auch Schwierigkeiten in der Selbstorganisation und Strukturierung haben. Wird im Unterricht durch den Lehrer eine gewisse Struktur vorgegeben, kommen die Symptome häufig weniger zum Vorschein.
Unaufmerksamkeit
- Der Arbeits- und Lernstil ist von wenig Sorgfalt geprägt und wichtige Details einer Aufgabe werden übersehen.
- Die Aufmerksamkeit kann nicht über längere Zeit aufrechterhalten werden. Bei Klassenarbeiten zeigt sich dies z.B. darin, dass sich zu Beginn wenig Fehler zeigen, diese sich dann allerdings zum Ende hin häufen.
- Bei Spiel- und Sportaktivitäten wird oft ein geringeres Durchhaltevermögen beobachtet.
- Viele Anweisungen müssen häufiger gegeben werden, weil das Kind diese nicht mitbekommt.
- Es besteht eine höhere Ablenkbarkeit von äußeren Reizen.
- Es zeigt sich eine hohe Vergesslichkeit für Materialien oder Arbeitsaufträge.
Impulsivität
- Flüchtiger Arbeitsstil: wichtige Details werden übersehen und Aufgaben werden so schnell wie möglich fertig gestellt.
- Der Arbeitsstil wirkt ungeordnet und chaotisch. Arbeiten werden begonnen, unterbrochen, es wird mit einer anderen Tätigkeit fortgefahren und wieder vorzeitig beendet.
- In Gesprächen ist häufig kein roter Faden erkennbar. Es besteht ein erhöhter Redebedarf; die Reaktionen des Interaktionspartners werden häufig nicht wahrgenommen.
- Geringe Frustrationstoleranz: Kinder können nicht warten, bis sie an der Reihe sind. Im Unterricht platzen die Betroffenen mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist.
- Es besteht eine erhöhte Stimmungslabilität, die häufig dazu führt, rasch wütend zu werden.
- Bedürfnisse können nicht aufgeschoben werden. Es wird aus dem Moment heraus gehandelt, ohne die Konsequenzen des eigenen Handels zu bedenken.
Hyperaktivität
- Neben einem hohen Maß an Aktivität wirkt die Tätigkeiten planlos und ziellos
- Im Unterricht zeigt sich die Hyperaktivität vor allem durch unruhiges Sitzen und Aufstehen vom Arbeitsplatz. Die Kinder bemerken häufig selber, dass sie unruhig und nervös sind; sie verfügen allerdings noch über eine zu geringe Steuerungsfähigkeit um dies zu reduzieren.
- Hyperaktive Kinder laufen oder klettern oft in exzessiver Form, vor allem in Situationen, in denen dies als unpassend wahrgenommen wird.
- Eine weitere Erscheinungsform zeigt sich im Sprechen oder Singen bzw. Produzieren von Geräuschen während des Arbeitens.
- Spiel- und Freizeitaktivitäten können nicht ruhig durchgeführt werden, was als störend empfunden wird.
Verlauf während der Schulzeit
Die Stabilität des Störungsbildes ist über das Grundschulalter sehr hoch. In den ersten Schulklassen können die Symptome, vor allem bei guter Begabung, häufig noch recht gut ausgeglichen werden. Im weiteren Verlaufe kommt es jedoch häufig zu einer Reihe von Schwierigkeiten und Probleme.
- Kinder, die vor allem Schwierigkeiten in der Aufmerksamkeit haben, zeigen eine durch eine immer stärkere Arbeitsbelastung zunehmend verlangsamte Arbeitsgeschwindigkeit auf und dadurch sekundäre emotionale Auffälligkeiten (Schulangst, psychosomatische Auffälligkeiten, Schulverweigerung)
- Kinder mit hyperaktiv-impulsiven Auffälligkeiten zeigen vor allem Schwierigkeiten im Sozialverhalten: Unterrichtsstörung, Opposition gegenüber den Lehrkräften, mangelnde soziale Integration.
- Subtyp-übergreifend kommt es im Vergleich zu unauffälligen Kindern vermehrt zu Klassenwiederholungen, Unterrichtsausschluss sowie Schulverweisen. Häufig erfolgt ein Wechsel auf Förderschulen, meistens für Lern- und Erziehungshilfen. Je stärker die ADHS-Symptomatik ausgeprägt ist, desto weniger erfolgreich verläuft zumeist die Schullaufbahn.
Auch im Jugendalter ist die Stabilität der Störungen noch erheblich, es zeigt sich allerdings eine deutliche Veränderung in den Symptomen, insbesondere hinsichtlich der motorischen Hyperaktivität, die deutlich nachlässt. Die Impulsivität und die Aufmerksamkeitsstörung sind allerdings nach wie vor vorhanden, z.T. in abgeschwächter Form. Hinzu liegen weitere Probleme nun im delinquenten Verhalten, einem erhöhten Risiko für Substanzmissbrauch sowie einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Internet- und Computerspielsucht. Auch affektive (emotionale) Störungen treten in diesem Alter gehäuft auf (v.a. Depressionen; interpersonelle Beziehungsstörungen).